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Franziska Bessau
Steuerberaterin & Dipl. Kffr.

Feenstaub

Feenstaub - Gedanken zur industriellen Revolution 4.0 und zur Reduzierung der Sinne

Wer uns die Buchführung und die Belege anvertraut, vertraut uns auch die Energie und den Feenstaub an. Was meine ich damit? Wenn ich für eine Heilpraktikerin und Märchenerzählerin die Buchführung mache, kann ich die Atmosphäre und den Duft der Öle einatmen. Ich habe das Gefühl, dass ich nun auch den Glitzer der Feen auf meinen Händen trage. Das ist ein sehr verbindendes Gefühl. Es führt mir auf sinnliche Art vor Augen, wie nah ich meinen Mandantinnen komme. Ich tauche mit den Sinnen in die Belege und deren Leben, und nicht nur das betriebliche, ein. Eine wunderbare Voraussetzung, um meinen Job gut zu machen, eine Art von steuerlicher Empathie.

Seit die industrielle Revolution 4.0, also die Digitalisierung, auf uns zu rollt, die Buchführungen automatisiert und damit Jobs dahingerafft werden, müssen wir über tiefgreifende Veränderungen nachdenken. So hört sich das Revolutionsgedöns an. Das Barometer meldet, dass 74% der heutigen Steuerberatung automatisiert werden, aber nur ca. 20% der Unternehmensberatung und noch weniger in der Erwachsenenbildung.

Nun sind wir ja schon mittendrin und haben angefangen, Rechnungen nur noch per Mail als PDF zu schicken. Die Belegordner sind voll mit grau/weiß/schwarz auf Billig-Papier selbst ausgedruckten Rechnungen. Nichts mehr mit Farbe, unterschiedlichen Papierstärken.

Ein sinnliches Nirvana. Nix zu gucken, nix zum Anfassen, nix zum schnell Wiederfinden.

Das Finanzamt sagt, einmal digitaler Beleg, immer digitaler Beleg. Das heißt, selbst wenn ich das ausdrucke, ist das Original immer noch digital. Dieses Original soll dann veränderungssicher abgespeichert und unveränderbar digital aufbewahrt werden.

Was die Behörde von den Steuerpflichtigen verlangt, ist bar jeder Rücksicht auf die PC-Kenntnisse der Standardnutzerinnen. Die wenigsten können das ohne fremde Hilfe bewerkstelligen. Jedes Kind weiß heutzutage, dass eine Datensicherung auf einer CD nicht sicher ist. Wenn diese Kinder überhaupt noch wissen, was eine CD ist.

Was nun? Externe Festplatten? Die letzten drei Stück sind bei mir innerhalb von 3 Jahren kaputt gegangen. Ein USB-Stick? Geht auch kaputt. Vertraue ich das einer Cloud an? Einer professionellen Cloud wie z.B. bei der DATEV? Ja, kann ich machen. Das kostet etwas, vor allem brauche ich dazu eine Steuerberater*in. Vertraue ich das anderen Portalen an, muss ich mir die Frage stellen, wo meine Buchführung nun liegt. Im Ausland? Sicher vor fremden Zugriffen? Was kostet das? Komme ich noch dran, wenn ich kündige?

Für Nebenwirkungen fragen Sie ihre*n Steuerberater*in.

Was machen eigentliche die Graphiker*innen? Es wird ja nichts mehr gedruckt. Wozu Visitenkarten, Briefpapier?

Was passiert mit uns, wenn wir alle Tätigkeiten auf den Bildschirm verbannen? Meine Beobachtungen: Mittels Fernwartung mache ich Jahresabschlüsse per Telefon und Bildschirm. Wenn ich 1,5 Stunden gesessen habe, bin ich so müde wie nach einem Marathon. Was auch nicht wundert. Alles läuft über das meistens linke Ohr, die Augen auf den Bildschirm festgeheftet, der rechte Arm bewegt sich geringfügig für Maus und gelegentlich Tastatur.

Was in jedem Fall geschieht, ist die Beanspruchung sehr viel weniger Sinne für das gleiche Ergebnis. Die körperlichen Bewegungen sind reduziert, deutlich weniger raumgreifend als wenn man sich gegenübersitzt, zum Ordner greift oder etwas holen geht. Es ist eine Konzentration auf wenige Sinne und eine Verarmung unserer Körperlichkeit.

Auf meinem Schreibtisch liegen ungefähr fünf geöffnete Vorgänge, zehn Papiere. Kein Problem, den Überblick zu behalten, das ist Alltag. Übersetze ich in die papierlose Variante, arbeite ich zeitgleich an zehn Bildschirmen. Praktisch bedeutet es, ich habe zwei parallele Bildschirme und in der Leiste fünf weitere geöffnete Dokumente. Ist es einfacher, die Zahlen von einem Stück Papier abzulesen und in den Computer zu übertragen, als von einem geöffneten PDF abzulesen und am parallelen Bildschirm einzutragen?

Ein leerer Briefkasten im Hausflur, dafür aber 100 virtuelle Postfächer, das kennen wir alle. Es bedeutet 100 Benutzer*innennamen und 100 Passwörter, die sich aus Sicherheitsgründen regelmäßig ändern müssen. „Nicht noch eins“, denken wir und schwupps, werden wir sanft gedrängt, bald auch den Steuerbescheid digital abzuholen.

Anstatt die Dokumente ins Haus geschickt zu bekommen, sollen wir sie holen und selber drucken. Wer nicht druckt, muss speichern, sichern und aufbewahren und dafür sorgen, dass die Belege und Daten vollständig sind.

Ich bin real, körperlich sinnlich. Ich mag riechen, Farben und Formen sehen, Texturen spüren, wahrnehmen, Eindrücke gewinnen.

Selbst wenn es unmodern ist: Bitte gebt mir mehr Feenstaub!