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Franziska Bessau
Steuerberaterin & Dipl. Kffr.

Ewigkeit

Wie lange dauert eine durchschnittliche Ewigkeit?

Viele kennen das: Frau hat sich durch die Einkommensteuererklärung gewühlt, alle Angaben, Belege zusammengetragen und das Formular nach besten Wissen und Gewissen ausgefüllt. Dann das Werk zusammengeheftet und mit einem erleichternden Seufzer beim Finanzamt eingeworfen.

Dann sind die Konsequenzen aus den Augen und aus dem Sinn und Sie vergessen es für einen bis zwei Monate. Dann kommt der erste Gedanke und Sie erinnern sich an diese unliebsame Aufgabe, die Sie nun ja mit Bravour absolviert haben und langsam stellt sich das Bedürfnis nach dem Erfolg ein: Der Steuerbescheid soll kommen. Sie nehmen die Finger in die Hand und zählen vom heutigen Tag an rückwärts. Sie denken, 4 Wochen sollten doch reichen, damit Ihre Erklärung bearbeitet wird. Vielleicht steht Ihnen die Krankenkasse auch schon auf den Füßen?

Im Finanzamt hat man ja aber andere Sorgen und Nöte (und wahrscheinlich zu viele Fälle) und ja, so ein Einkommensteuerbescheid ist auch immer eine Einzelentscheidung. Manchmal steht man im Regen und hat so gar keinen Anhaltspunkt. Manchmal wird frau darum gebeten, von jedweden Nachfragen abzusehen – ist ja klar, das verkürzt die Bearbeitungszeit und um so eher haben Sie Ihren Bescheid. Als Steuerberaterin antworte ich – ich weiß allerdings auch nicht, wie lange die Bearbeitungszeit dauert – und greife auf meinen Erfahrungsschatz zurück: "Noch keine 3 Monate? Das ist durchaus normal und kein Grund zur Aufregung. Länger als 3 Monate? 6 Monate? Dann kann frau beim Finanzamt schon mal nachfragen."

Heute, heute da hab ich mal wieder bei einem Finanzamt angerufen. Es war wegen dienstlicher Gründe nicht zu erreichen. Allerdings wies eine freundliche Stimme auf dem Anrufbeantworter darauf hin, dass morgen wieder aller erreichbar wären. Und es kam ein sehr wertvoller Hinweis: "Die Bearbeitungszeit für Ihre Steuererklärung beträgt durchschnittlich je nach Ihrem Fall 3 Wochen bis 6 Monate." Ja, das war doch mal eine Aussage! Genauso wie ich mich freute, endlich mal eine präzise Antwort auf ein langgehegtes Geheimnis zu erhalten, so tauchten gleichzeitig neue Fragen auf. Was heißt eigentlich Durchschnitt? Ist Durchschnitt eine Zahl? Und wenn es 2 Zahlen sind, sollte dann der Unterschied zwischen den Zahlen nicht wenigstens gering sein? "3 bis 6 Wochen" halte ich für einen akzeptablen Durchschnittswert für einen Durchschnitt, nicht unbedingt für die Bearbeitungszeit. "3 Wochen bis 6 Monate" bedeutet ungefähr: "Zwischen gleich und einer Ewigkeit". Dass ein Steuerbescheid kürzer als 3 Wochen braucht, ist kaum anzunehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch 9 Monate dauern kann oder - ich will es nicht hoffen – 12 Monate, ist bei einer Durchschnittsangabe durchaus möglich.Während mein Kopf arbeitet, gelange ich schlicht zu der Erkenntnis: Wie lange die Bearbeitungszeit dauert, weiß letztendlich niemand. So heißt es weiterhin geduldig abwarten oder dann doch mal nachfragen.
Natürlich gibt es auch im Hintergrund Mechanismen, die am Werke sind und manchmal ist es gut, diese in die Überlegungen mit einzubeziehen.

Zum einen gibt es ein automatisiertes System, das Risikomanagementsystem (RMS). Alle Erklärungen, die unauffällig sind, bekommen quasi grünes Licht und werden direkt mit einem Steuerbescheid bearbeitet. Das dürften die elektronisch eingereichten Erklärungen sein, die 3 Wochen dauern. Unauffällig ist ein Fall, wenn die Angaben so etwa denen im Vorjahr entsprechen, es keine größeren zahlenmäßigen Abweichungen und keinen neuen "kritischen" Tatsachen gibt. Kritisch sind die Klassiker wie z.B. Häusliches Arbeitszimmer, Kfz, Abschreibungen.
Wenn ein Fall für das RMS "auffällig" ist, dann wird dieser Fall rausgeholt und kommt zu einem Menschen im Finanzamt zur weiteren Bearbeitung auf den Tisch. Ich denke, hier fängt dann der Durchschnitt an, der länger als drei Wochen dauert.

Ein anderer Grund kann sein, dass die Bearbeiterin/ der Bearbeiter wechselt. Neben der/dem Neuen wächst der Berg der unbearbeiteten Fälle und da habe ich es auch schon erlebt, dass das 6 Monate gedauert hat. Es wurde vielleicht schneller bearbeitet, weil die Mandantin nachgefragt hat. Aber wissen, tun wir das mal wieder nicht. Wenn ich mit meinem Beitrag fertig bin, werde ich meine rechte Hand nehmen und an den Fingern abzählen, wie lange ich schon warte. Wahrscheinlich ist mein Fall schwierig. Mittlerweile gibt es das Urteil vom Bundesverfassungsgericht zur Gleichbehandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaften bei der Einkommensteuer. Denn eine Einzelveranlagung wie in den Vorjahren wäre seit dem 06.06.2013 nicht mehr rechtmäßig. Wie in den Vorjahren musste ich meine Steuerklärung einzeln einreichen. Jetzt wird es wieder dauern, bis die Finanzämter eine Anweisung haben, wie sie mit diesen Fällen umgehen. Also heißt es erst einmal abwarten.

In diesem Sinne trinke ich bei Sahara-Temperaturen mit Ihnen einen Eis-Tee
Ihre Franziska Bessau

Erschienen in: existenzielle, 06/2013